Redebeitrag zum Anlass des Aufmarsch der Piusbrüder in Freiburg 2020

Redebeitrag zum Anlass des Aufmarsch der Piusbrüder in Freiburg 2020:

Wir machen heute diese Radio-Demo auf RDL, weil jedes Jahr am Freitag nach Karfreitag die Piusbrüder und ihre AnhängerInnen durch Freiburg ziehen und geschützt von einem Großaufgebot der Cops ihre religiösen und gesellschaftlich reaktionären Weltbilder verbreiten.
Jedes Jahr stellen sich trotz massiver Repressionen zahlreiche Feministinnen, Antifaschistinnen, Linke und einfach liberal eingestellte Menschen diesem Aufzug entgegen. Es geht darum ein klares Zeichen gegen diese antisemitische, antifeministische und reaktionäre Gruppierung zu setzen und sich für eine emanzipierte und freie Gesellschaft einzusetzen.
Aber wer sind diese Piusbrüder eigentlich und warum kämpfen wir so massiv gegen diese Gruppe.
Die Piusbrüder und ihre AnhängerInnen sind eine Gemeinschaft mit deutschlandweit zwischen 10.000 und 30.000 Mitgliedern. Sie sind seit einigen Jahren wieder offiziell Teil der katholischen Kirche. Hier stellen sie den äußeren rechten Rand da.
Die Piusbrüder leiten aus ihren christlich-fundamentalistischen Ansichten eine gesellschaftliche Agenda und politische Forderungen ab. Sie haben ein reaktionäres Geschlechterbild und betrachten Homosexualität als Krankheit. Ihr Weltbild ist deutlich antimodern, reaktionär und zutiefst menschenfeindlich. Ihr Ziel ist ein christlicher Gottesstaat.
Piusbrüder zeichnen sich durch ihren eindeutigen Antisemitismus und Antizionismus aus. Sie erkennen das Judentum nicht als Religion an, einzelne Mitglieder werden immer wieder durch antisemitische Ausfälle auffällig und sie hofierten jahrelang einen ihrer führenden Bischöfe Williemsen, der regelmäßig öffentlich den Holocaust leugnete.
Mindestens verdeckt ist die Holocaustrelativierung einer der Grundsätze der Piusbrüder, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche in eindeutig Schoah-relativierender Weise Babycaust nennen und Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen als Tötungsspezialist*innen bezeichnen.
Ihr Antisemitismus geht Hand in Hand mit Verschwörungserzählungen. Zum Beispiel behaupten sie, dass Freimaurer und eine jüdische Weltverschwörung bzw. die Synagoge Satans hinter der teilweise vollzogenen Liberalisierung der katholischen Kirche stehen.

In Verschränkung und Überschneidung zum Antisemitismus sind Piusbrüder auch eindeutig antifeministisch. Abgeleitet aus ihrer religiösen Ideologie lehnen die Piusbrüder eine geschlechtergerechte Welt ab. Jede Form der sexuellen Selbstbestimmung, insbesondere für alle FLINT* Personen (also Frauen, Lesben, Trans, Inter und nicht-binäre Personen) soll in ihren Augen verhindert werden. Dies zeigt sich insbesondere in der Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen und auch aktiven Behinderungen von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen wie Pro Familia.
Leider ist es den Piusbrüdern und weiteren Akteuren der christlichen Rechten in den letzten Jahren gelungen gesellschaftlich sichtbarer und einflussreicher zu werden. Zum Beispiel mobilisieren Akteure der christlichen Rechten seit Jahren zu großen Demos gegen Schwangerschaftsabbrüchen, wie bei den Märschen fürs Leben in Berlin oder auch anderen europäischen Großstädten. Außerdem waren Akteure der christlichen Rechten maßgeblich bei den sog. Demos für alle in Stuttgart beteiligt. Dort demonstrierten sie erst gegen die Überarbeitung des Bildungsplans von Baden-Württemberg und später gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
Erfolgreich waren sie mindestens zum Teil bei der Forderung die Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt nicht im Bildungsplan zu verankern. Zwar ist das Thema noch im Bildungsplan vorhanden, aber nur noch als Nischenthema und nicht wie ursprünglich geplant als Querschnittsthema des Bildungsplans.
Auch gegen den CSD in Stuttgart haben Piusbrüder vor einigen Jahren mobilisiert und Teilnehmenden des CSD vorgemalt, dass sie in die Hölle kämen. Denn Pisbrüder setzen Homosexualität und Pädophilie gleich und betrachten Aids als Strafe Gottes hierfür.
Piusbrüder lehnen jede Form der Gleichstellung der Geschlechter ab und wollen Frauen auf ihre Rolle als Hausfrau und potentielle Mutter festschreiben.
Dieses Weltbild teilen sie mit noch vielen weiteren gesellschaftlichen Gruppen: u.a. Teilen der Konservativen und insbesondere der (extremen) Rechten.
Betrachten Konservative die Forderung, dass Frauen sich auf den Haushalt und Familie fokussieren wollen, womöglich noch als vermeintlichen „Schutz vor Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt“, argumentieren extrem Rechte im Sinne des Bilds der Volksgemeinschaft, in dem die Gesellschaft nach außen durch rassistische Bilder abgegrenzt und Innen nach strengen Geschlechterhierarchien geordnet ist.
Insgesamt eint die Christliche und extreme Rechte das Feindbild Feminismus und das Ideal der heterosexuellen Mehrkindfamilie.
Behaupten extrem Rechte in völkischer Manier die weiße Hetero-Familie zu schützen, haben christliche Rechte die christliche Hetero-Kleinfamilie im Blick. In seinen Auswirkungen ist dies jedoch kaum zu unterscheiden.
Die Vereinigung unterschiedlicher Akteure im Feindbild Feminismus zeigt sich auch in den Untergangsphantasien, die sowohl die christliche als auch die extreme Rechte beschwören. Alle behaupten, dass das deutsche (also in ihrem Sinne entweder weiße bzw. christliche) imaginierte Volk ausstirbt und machen hierfür regelmäßig den Feminismus verantwortlich. Nicht selten wird dahinter, wie auch im Falle des antisemitischen und rechten Terroristen von Halle an Jom Kippur 2019 noch eine jüdische Elite behauptet.
Die Verbindung der christlichen und extremen Rechten durch geteilte Feindbilder und Ideale zeigt sich auch an einigen personellen Überschneidungen. So referieren einige Mitglieder der Piusbrüder bspw. auf diversen Burschenschaftshäusern und als vor einigen Jahren eine Veranstaltung der rechten Kleinstpartei „die Freiheit“ in Stuttgart hätte fast nicht stattfinden können, wurde die Veranstaltung kurzerhand auf das Haus der Piusbrüder in Stuttgart verlegt.
Auch International sind die Piusbrüder mit der rechten Szene vernetzt. So gibt es ein Institut in einem Kloster südlich von Rom, wo sich regelmäßig auch Vertreter der extremen Rechten, aber auch Piusbrüder und der ehemalige Trump-Vertraute Steve Bannon treffen.

Es ist extrem wichtig die Piusbrüder und insgesamt die christliche Rechte nicht nur als religiöse Spinner, sondern als gefährliche Akteure der internationalen Rechten zu betrachten und zu bekämpfen. Denn die christliche Rechte kämpft massiv gegen all die wichtigen und großartigen Errungenschaften der queeren, feministischen und linken Bewegungen. Damit sind sie anschlussfähig an weitere rechte Akteure bis hin zum gesellschaftlichen Mainstream.
Deshalb braucht es breite politische Bündnisse u.a. zwischen der Antira und Antifa-Szene, feministischen, queeren und antinationalen Gruppen, migrantischen Selbstorganisationen, der jüdischen Community, der Behindertenbewegung und noch vielen weiteren Gruppen und Einzelpersonen. Auch kritische Christ*innen müssen Verantwortung übernehmen und sich sowohl innerhalb der Kirche als auch öffentlich klar gegen die Piusbrüder positionieren.
In diesem Sinne: Alerta Feminismus. Feminismus heißt Angriff!

Link zur Radiodemo und einem anderen Beitrag dort zum Nachhören: https://rdl.de/beitrag/feministische-radiodemo-tsch-ss-pius